Part 3

Als er wieder erwachte, waren seine Hände gefesselt und kurz vor ihm sah er ein Paar Stiefel. Kapitän Fjorvir Van T'hrak.

"Ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, ich würde euch nicht wieder finden, nachdem ihr diesem armen Fischersjungen seinen Körper gestohlen habt? Ich kann nicht zulassen, dass ihr wieder so mächtig werdet wie einst." Ein paar vollendete Gesten, und wieder war Dunkelheit. Nur eins spürte er - er war allein. Weder Mensch noch Elf noch Tier waren in seiner Nähe. Sein Zeitgefühl hatte er vollständig verloren - erneut war er im Dolch gefangen.

Zer'dyr trabte, Pharzog im Schlepptau, durch den Wald. Sie legten eine kurze Pause ein und er stützte sich mit Händen, die rot vom Blut der fünf noch warmen Herzen waren, am nächsten Baum ab. Schwer atmend schaute er sich um. "Fünf Darthiir werden wir heute noch erwischen, Pharzog. Müssen wir." Pharzog gab ein zustimmendes Grunzen von sich und klopfte auf die Tasche, in der sich bereits fünf Rivvilherzen befanden. Urplötzlich, ohne erkennbaren Grund, drehten sich beide um und starrten in die Dunkelheit.

Verachtung war das einzige, was er für die Kreaturen übrig hatte, die sich gerade von ihm hatten anlocken lassen. Drow - doch waren sie vermutlich seine einzige Chance. Gebannt wartete er darauf, dass einer der beiden den Dolch berührte.

Pharzog entfernte sich ein paar Schritte und machte sich daran, den Dolch aufzuheben. Wie vom Blitz getroffen sank er vor den Augen seines Lehrmeisters zu Boden, als er die seltsame Waffe ergriff. Mehrere Sekunden lag er still, Zer'Dyr stand unbeweglich und wachsam, wie ein Raubvogel, einige Schritte entfernt. Der Körper des jungen Faern wurde von Krämpfen geschüttelt, lag dann wieder still, er atmete schwer. Langsam öffnete er die Augen und blickte aufmerksam um sich.

Dann entdeckte er den anderen Drow. Ohne zu zögern formte er seine Hände zu einer Schale und schleuderte sie gen Himmel. Die Flammensäule traf seinen Gegner mit aller Gewalt, liess ihn schreiend zurücktaumeln. Er stolperte, fiel auf den Rücken, riss die Hände vor sein Gesicht, als ein geisterhafter Bär unmittelbar vor ihm erschien, sich aufbäumte und mit seinen gewaltigen Pranken begann auf ihn einzuschlagen. Hektisch zuckten seine Finger hin und her, schlecht artikulierte Worte verließen zusammen mit Tropfen tiefroten Blutes seinen Mund bis sich das Tier endlich mit einem leisen Kreischen auflöste. Sofort traf ihn ein Blitz: der ehemalige Pirat kannte kein Erbarmen mit dem Drow, den er vor geraumer Zeit bereits einmal entkommen lassen musste. Das Bündel Abschaum vor seinen Füssen begann in heller Panik einen kleinen Heilzauber, dessen magische Energie unmittelbar in einer Rauchwolke verpuffte, als ein schwarzer Stiefel sein Gesicht traf. Tholund spürte den Knochen durch die weichen Sohlen seiner Stiefel brechen, genoss das erstickte Gurgeln seines Feindes. Der vermutlich vergiftete Dolch, den er aus dem Ärmel zog, lag gut ausbalanciert in seiner Hand, bis er Sekundenbruchteile später durch die Kehle Zer'Dyrs fuhr und sein Schicksal damit besiegelte.

Sechs Herzen im Gepäck wartete der Mensch im Drowkörper hockend hinter einem Busch, einige Wegbiegungen von dem Reisepunkt zu Timuril entfernt. Es war seine einzige Chance - wenn er sich nicht in der Gesellschaft der Drow zurechtfinden würde, wäre er ein Ausgestoßener. Ein absolut Ausgestoßener. Keine Rasse würde ihn aufnehmen. Ein Mensch im Körper eines Drow? Eine irrsinnige Idee. So mußte er jetzt handeln wie ein Drow, um als solcher anerkannt zu werden.

Einige Zeit verging, bis sich endlich etwas rührte. Dann kamen zwei sichtlich fröhliche Elfen in Sicht, sie redeten mit klarer Stimme und ihr helles Lachen schallte durch den düstren Wald. Plötzlich stiess der eine einen Schmerzensschrei aus und fiel auf ein Knie. Der andere wurde des schwarzen Dolches in dem Rücken seines Bruders gewahr, sprang blitzschnell zur Seite, drehte sich um, griff derweil nach seinem Bogen und spannte ihn. Der Pfeil verliess mit einem leisen Sirren die Sehne und ein überraschtes Keuchen war zu hören. Der zweite Pfeil traf den dicken Stamm, hinter den Tholund gehechtet war. Zu einem dritten Schuss kam es nie. Verzweifelt versuchte sich der Elf mit seinem Schwert des Schneeelementars zu erwehren, musste jedoch Schritt für Schritt zurückweichen, bis er, mit dem Rücken an einem Baum, zum Stehen kam. Derweil zog der Magier den Pfeil aus seinem linken Arm und stoppte die Blutung mit einem leichten Heilzauber. Mit einem hässlichen Lächeln im Gesicht nahm er den Bogen des Elfen, legte einen Pfeil auf die Sehne und schoss. Der schlecht gezielte Pfeil traf den Elf an der Schulter, sein Schwert fiel klirrend zu Boden. Mit entsetzem Gesicht sah er die Faust des Elementars auf sich zufliegen.

Mit wenigen Schlägen zertrümmerte Tholunds Kreatur den Schädel seines Gegners, er rief sie zurück. Mit dem vergifteten Dolch, den er aus dem Rücken des gelähmten Elfen zog, schnitt er erst dem Toten, dann dem Lebenden das Herz heraus.

Zwei Herzen waren noch übrig, und der Morgen dämmerte bereits.

Er war geschwächt, doch die Zeit wurde knapp. Er musste sich schnell etwas einfallen lassen. Plötzlich lächelte er: 'Die Sümpfe'. Tholund verlor keine Zeit und warf einen Feuerball gegen das Tor Timurils, die Wachen entdeckten ihn sofort. Das Spiel begann.

Schwer atmend, ein halbes Dutzend Elfen hinter ihm, erreichte er die Sümpfe bei Timuril. Jetzt schmolz sein Vorsprung dahin. Als er die Ruinen erreichte, hatten sie ihn fast eingeholt. Doch bevor sie ihn treffen konnten, sprang er ab, krallte sich an den Ranken einer Mauer fest, zog sich ein Stück hoch, liess wieder los und drückte sich mit den Füssen ab. Im Sprung richtete er seine Hände auf einen Punkt wenige Schritte hinter den Elfen, rief "Rel Por", als diese gerade in ein kaum sichtbares Loch stürzten. Der Letzte stolperte gerade auf den Vorletzten, und auch der begann, unmittelbar nachdem ihm mit einem festen Tritt der fehlende Schwung verpasst wurde, ebenfalls den schmerzhaften Fall nach unten anzutreten. Als nach einer Weile die Kampfgeräusche und Schreie verstummten, sprang er hinterher - und wieder war nur Dunkelheit, kein Laut, nur dumpfe Stille.

Part 4