Part 1

Die Ausbeute war an diesem Tag recht gut. Hoch stand die Sonne am Himmel, und Reyneld holte ein weiteres Netz ein, das voll mit Fischen war. Er kippte sie zu den anderen, machte das Netz fertig und warf es erneut aus. Gut gelaunt legte er sich aufs Deck, genoß den sanften Wellengang, die warmen Sonnenstrahlen und wartete darauf, den nächsten Fang einholen zu können. Möwen kreisten kreischend über seinem Boot und hofften auf leichte Beute.

Nach einigen weiteren erfolgreichen Fängen kehrte der Familienvater nach Hause zurück. Reyneld verließ sein Boot, betrat den hölzernen Steg und ging, ein Liedchen pfeifend, zu dem Strand, an dem sein jüngster Sohn meistens spielte.

"Papa!" rief der Junge, als er ihn erblickte, lief sichtlich erfreut auf ihn zu und schloss die Arme um seinen Vater. Der streichelte ihn liebevoll, gab ihm dann einen Klaps auf die Schulter und forderte ihn auf, ihm beim Ausladen zu helfen.

Nach dieser Arbeit gingen die beiden zusammen nach Hause, wo schon das Essen auf sie wartete. Der Junge spielte unterwegs mit einem Dolch, den der Vater unbemerkt mit den Fischen ins Boot gezogen hatte. Den Dolch hatte Reyneld seinem Sohn gelassen, nachdem dieser ihn beim Ausladen gefunden hatte.

Tatsächlich stand schon eine Schüssel mit dampfenden Kartoffeln auf dem Küchentisch, als sie eintraten. Die Mutter, ihr ältester Sohn und ihre Tochter hatten bereits mit dem Essen begonnen. "Hallo Schatz! Wie war dein Tag heute?" begrüsste seine Frau Reyneld lächelnd, der ihr einen Kuss gab und sich zu den Anderen an den Tisch setzte. "Ich habe einen sehr guten Fang gemacht. Ich denke, die nächsten Tage kann ich bei euch bleiben." sagte der Vater, lächelte seiner Frau zu und schob sich eine Kartoffel in den Mund.

Am nächsten Tag blieb er dann auch daheim und flickte einige Netze. Seine Söhne hielten sich draußen auf, der Ältere, genannt Tholund, half dem Jüngeren, ein Holzgestell zu schnitzen, in das er den gefundenen Dolch stellen wollte, auf dessen Besitz er sehr stolz war. Die Tochter kümmerte sich um die Tiere der benachbarten Bauern, sie hielt sich gerne dort auf.

Noch einige Jahre gingen ins Land, in der die Familie recht glücklich lebte. Der älteste Sohn fasste Pläne, ein eigenes Haus zu bauen, und die Tochter war nun verheiratet und wohnte seit einigen Wochen nicht mehr bei ihren Eltern.

Eines Nachts wachte Tholund auf, irgendein Geräusch hatte ihn geweckt. Er lauschte, hörte flüsternde Stimmen und Fussschritte. Als er aus dem Fenster schaute sah er einige zerlumpte Gestalten, die dabei waren, durch das Küchenfenster in ihr Haus einzudringen. Nach kurzer Überlegung nahm er den Dolch seines Bruders von der Wand, um damit die Eindringlinge zu vertreiben. Einen Moment blieb er, wie vom Blitz getroffen, stehen, doch dann machte er sich, mit leicht zitternden Knien, auf den Weg nach unten. Als er die Räuber sah, riß er seine Hände auseinander und rief mit zitternder, heiserer Stimme "Vas Ort Flam". Nichts geschah. Er packte den Dolch fester, als die Räuber, auf ihn aufmerksam geworden, nach einer Sekunde der Überraschung auf ihn zuschritten. Als der erste in seine Nähe kam, stieß er blitzschnell mit dem Dolch zu und traf seinen Gegner am Bauch, doch der Stoß war so schwach geführt, dass er ihn kaum verwundete. Trotzdem starrte der Getroffene auf seine Wunde und gab Tholund so genug Zeit für einen zweiten Stoß, der ihm die Kehle durchtrennte. Seine Kumpanen starrten erst wie gebannt auf ihren toten Freund und flohen dann, bittere Flüche auf den Lippen.

Morgurth schaute sich um. Es war sehr einfach gewesen, die Seele des Fischersohnes in den Dolch zu bannen und seinen Körper zu übernehmen, jedoch musste er die bittere Erfahrung machen, dass er in solch einem von arkanen Energien unberührten Körper seine magischen Fähigkeiten nicht einsetzen konnte. Dass er die nötigen Kräuter gar nicht in der Nähe gehabt hätte, wenn er es gekonnt hätte, wurde ihm erst etwas später bewusst. Er biss sich auf die Lippe: wenn er nicht solchen Schwächlingen gegenübergestanden hätte, hätte es tödlich enden können - für ihn.

Lange hatte er darauf gewartet, dass jemand den Dolch hob, dessen Körper geeignet war. Bis zum heutigen Tag hatte niemand ausser diesem Kind ihn berührt. Er schüttelte den Kopf und verließ das Haus durch die Tür.

Ein kalter Wind wehte, und Morgurth machte sich auf den langen Weg zu dem einzigen Menschen, den er noch kannte: Skipton.

Part 2